Bedeutung des Arbeits- und Brandschutzes in deutschen Unternehmen
Von Dipl.-Ing. Jens-Christian Voss, Friedberg
Auszug aus dem Fachartikel, erschienen in: Technische Mitteilungen, 99. Jahrgang – Heft 3, 2006, S. 311 ff.
Bitte beachten Sie den Hinweis am Ende des Artikels.
Nicht zuletzt der schwere Unfall auf der Transrapid-Versuchsstrecke im Emsland mit 23 Toten oder die Gas-Explosion in der Nähe von Ansbach mit fünf Toten – beides im September 2006 -, auch die Brände an der Universität Würzburg (April 2006), bei Volkswagen in Baunatal (Mai 2006), auf der Bremerhavener Lloyd-Werft (August 2006) und der Mülldeponie in Wunstorf bei Hannover (August 2006) zeigen uns unsere „sicherheitstechnischen Grenzen“ auf und zeugen von einer Vielfalt und Gnadenlosigkeit, wie und wo Unfälle und Brände passieren können.
Um hier bessere Aufklärungsarbeit zu betreiben und Unternehmen zu systematischerem Arbeits- und Brandschutz anzuregen, hat sich mein Ingenieurbüro im Jahre 1999 der Idee verschrieben, Daten und Fakten aus den deutschen Unternehmen zu sammeln und systematisch auszuwerten.
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Die Auswertung soll Sie informieren und ggf. anregen, aus guten Aspekten oder auch aus Fehlern anderer zu lernen.
Diesen Ausspruch hinsichtlich des Brandschutzes kennen Sie sicherlich: „Es entspricht der Lebenserfahrung, dass mit der Entstehung eines Brandes praktisch jederzeit gerechnet werden muss. Der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausbricht, beweist nicht, dass keine Gefahr besteht, sondern stellt für die Betroffenen einen Glücksfall dar, mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden muss“, so das bekannte Rechtsurteil des Oberverwaltungsgerichts Münster aus dem Jahre 1987.
Aus den Auswertungen der Brandversicherer und der Berufsfeuerwehren wissen wir, dass Brände einen Schaden von durchschnittlich 125.000 € verursachen werden. Neben dem reinen Brandschaden müssen Sie aber mit drei- bis zehnmal höheren Folgekosten rechnen. Maßgeblich hierfür sind neben dem Löschwasserschaden und erhöhten Auflagen als Folge natürlich der Imageverlust und der Produktionsausfall.Großschadensereignisse, sprich Brände mit einem reinen Brandschaden größer 500.000 Euro (Millionenschäden in DM), ereignen sich ca. 200 pro Jahr in Deutschland, Brandtote sind jährlich (nur) zirka 700 zu beklagen.Eine nachdenklich stimmende Aussage ist der Prozentsatz der Insolvenzen betroffener Betriebe nach Großschadensereignissen – diese liegt bei 40 Prozent sofort nach Schadenereignis und bei insgesamt 70 Prozent im Laufe des Folgejahres. Sprich zwei Drittel deutscher Unternehmen werden Großschadensereignisse nach Bränden oder Explosionen betriebswirtschaftlich nicht „überleben“.
Übrigens: was gewerblich gilt, gilt für Sie privat auch.Jeden Tag gibt es in Deutschland 150 Wohnungsbrände – nicht alle müssen so katastrophal enden wie die bekannten Brände einer Obdachenlosen-Unterkunft in Halberstadt (Dezember 2005, 9 Tote) oder die Brandstiftung in einem Wohnhaus in Berlin-Moabit (August 2005, 8 Tote).Der durchschnittliche finanzielle Schaden beläuft sich dabei auf ca. 20.000 Euro. Der persönliche und psychische Schaden ist dagegen nicht bezifferbar.
Drei Fragen deshalb auch für zuhause:
- Haben Sie zuhause Brandmelder?
- Wussten Sie, dass der häufigste private Brandstifter (ungewollt) ein dreijähriges Kind ist?
- Lassen Sie zuhause Kerzen unbeaufsichtigt brennen?
Dies ist für uns auch Anlass, seit 1999 systematisch deutsche Unternehmen hinsichtlich wesentlicher Aspekte des Arbeits- und Brandschutzes zu befragen. Der zweite Ansatzpunkt sind die hohen Unfallzahlen, die uns die Berufsgenossenschaften jedes Jahr von neuem präsentieren und klare Verbesserungspotenziale auszeigen sollten.
Mittlerweile haben wir 850 Unternehmen erfasst, die uns freundlich offen mit Informationen unterstützt haben.Die Ergebnisse sind teilweise verblüffend und geben uns Anlass, weiterhin verstärkt Werbung für die grundsätzlichen Maßgaben des Arbeits- und Brandschutzes zu machen. Denn Arbeits- und Brandschutz beginnt „an der eigenen Tür“.
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Die Anzahl der Feuerlöscher ist von den Brandversicherern und von den Berufsgenossenschaften in Deutschland vorgeschrieben.Beim baulichen Brandschutz fallen insbesondere wiederholt auf, dass Brandwände nach Durchbrüchen nicht fachgerecht geschlossen und durch die Fachfirmen entsprechend gekennzeichnet werden.Die Gefährdungsbeurteilung ist mit dem Arbeitsschutzgesetz seit 1996 in Deutschland sogar gesetzlich gefordert. Sie ist ein ganz wesentliches Werkzeug für den systematischen Arbeitsschutz auch in Ihrem Unternehmen.Flucht- und Rettungspläne sind mit der Arbeitsstättenverordnung in Deutschland seit 1975 für die Unternehmen verpflichtet, wenn Lage, Ausdehnung und Art der Benutzung der Arbeitsstätte diese erfordern – und davon sind meiner Schätzung nach mindestens die Hälfte betroffen.
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Brandschutzbegehungen sind von den Berufsgenossenschaften angeregt, mindestens alle zwei Jahre in deutschen Unternehmen durchzuführen. Es ist auf jeden Fall erst einmal Ihr eigenes Interesse, sich mit Ihren Brandgefahren und Brandlasten systematisch auseinander zu setzen. Idee: verbinden Sie Ihre jährliche Sicherheitsbegehung doch auch um die Aspekte des vorbeugenden Brandschutzes.Löschübungen sind in Deutschland spätestens seit Januar 2004 mit der neuen Unfallverhütungsvorschrift BGV A1 „Grundsätze der Prävention“ verpflichtet. Hier hat der Arbeitgeber eine ausreichende Zahl von Mitarbeiter (er bestimmt die Anzahl nach seinen betrieblichen Belangen natürlich selbst) in den Umgang mit Feuerlöscheinrichtungen einzuweisen und üben zu lassen.Die erschreckende Tatsache, dass vier von fünf deutschen Unternehmen ihre Mitarbeiter im Arbeitsschutz nicht unterweisen, ist ja eine Tatsache, die uns bereits die Berufsgenossenschaften regelmäßig „angeprangert“ haben. Mit dem Nichtdurchführen von Unterweisungen versäumen Sie als Unternehmer eine ganz wesentliche und effektive Möglichkeit, auf Ihre Mitarbeiter im Arbeitsschutz Einfluss nehmen zu können. Seit Januar 2004 müssen in Deutschland alle Unterweisungen auch schriftlich festgehalten werden („If you didn´t document it, you didn´t do it“, sagt ein großes amerikanisches Unternehmen treffend).
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Bei den Vorgesetzten im Unternehmen fängt der Arbeitsschutz an. Wenn dieser die wesentlichen Maßgaben des Arbeits- und Brandschutzes nicht kennt, kann es in seinem Unternehmen „nicht laufen“. Daher kann der Informationsfluss im Arbeits- und Brandschutz über den Vorgesetzten ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg sein.
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Dass sich „schlecht gelebter“ Arbeits- und Brandschutz von den Vorgesetzten auf die Mitarbeiter übertragen würde, ist selbstverständlich. Mich persönlich ernüchtert z.B., dass nur etwa jeder achte Mitarbeiter weiß, bei welcher Berufsgenossenschaft sein Leib und Leben versichert ist – er weiß aber, wo sein Auto und seine Haustiere versichert sind.
Stellen Sie sich weiterhin vor, dass aufgrund eines schweren Unfalls oder eines Brandes die Rettungskette einzuleiten ist. Häufig wissen die Mitarbeiter nicht, wo das nächste Telefon ist. Dann wird automatisch die „112“ als Notrufnummer gewählt, die aus den Betrieben heraus häufig nicht zur Verbindung mit der Rettungsleitstelle führt. Bei der Ortsangabe werden dann unklare oder falsche Aussagen getroffen, und und und…
Begünstigt von der Stresssituation, der sich beim Notfall automatisch einstellt, möchte ich es Ihrer Phantasie überlassen, sich auszumalen, wie eine Rettungskette nun ablaufen würde (oder natürlich eher hoffentlich nicht). Die Rettungsleitstellen sagen uns übrigens, dass jede zweite Rettungskette falsch oder fehlerhaft durch den Anrufer eingeleitet wird. Die Berufsgenossenschaften satteln noch auf und sagen, dass jeder zehnte tödliche Arbeitsunfall – wenn richtig und rechtzeitig gemeldet worden wäre – nicht hätte tödlich verlaufen müssen.
Nach Aussagen der Brandversicherer ist der mögliche Löscherfolg durch Laien bei Entstehungsbränden übrigens mit 2/3 beziffert. Aber hängen die richtigen Feuerlöscher am richtigen Ort? Wissen Ihre Mitarbeiter, wo sich der nächste Feuerlöscher an seinem Arbeitsplatz befindet? Weiß der Mitarbeiter, wie der Feuerlöscher zu benutzen ist?Die traurigen Wahrheit finden Sie in den Befragungsergebnissen.
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