In Gefahrensituationen verhalten Menschen sich oft vollkommen widersprüchlich. Symbolbild zum Fachartikel von Jens-Christian Voss über Stress und Fehlverhalten.

Aktueller Fachartikel: Stress und Fehlverhalten in Gefahrensituationen

 

Stress und Fehlverhalten in Gefahrensituationen

Ein Fachartikel von Dipl.-Ing. Jens-Christian Voss

1 Einführung

Wie gut können wir uns noch an die Szenen erinnern, als vom Unglück betroffene Menschen planlos umherirrten oder gar in den Freitod getrieben wurden: beim Flugabsturz von Ramstein, beim Attentat auf das World Trade Center in New York und bei dem als „MGM Grand fire“ in die Geschichte eingegangenen Hotelbrand in Las Vegas.

Menschen in einer lebensbedrohlichen Situation (z. B. nach einem Unfall oder während eines Brandes) zeigen oftmals ein Verhalten, das dem normalen gesunden Menschenverstand widerspricht, aber keinesfalls ungewöhnlich ist. Wir sind dann in einer Situation, die für uns unnormal ist – und wo Überlebensinstinkte angesprochen werden. In eine solche Notsituation kommen die meisten von uns zum Glück nicht, Betroffene meist nur einmal. Die Statistiken der Brandversicherer sagen z. B. aus, dass wir mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent ein Großschadensereignis erleben werden.

Daher ist es vor allem für Betroffene als auch für Rettungskräfte unerlässlich, verschiedene Verhaltensmuster und -besonderheiten näher kennenzulernen, um diese richtig einzuschätzen und Konsequenzen daraus ziehen zu können.

Dazu seien nachfolgend einige Beispiele näher dargestellt.

2 Beispiele

(1) Bei Hausbränden flüchten die Menschen wegen Luftknappheit und Hitzeentwicklung zu den Fenstern. Sprungbereit auf der Fensterbank empfinden sie raumseitig die Gluthitze, draußen dagegen die Kühle. Das ist ihre Entscheidungs-Alternative in dieser extremen Notsituation. Die Sprunghöhe und der tödliche Aufschlag werden mental nicht einkalkuliert. So wird auch die nur 50 cm entfernte Hand des Feuerwehrmannes auf der Drehleiter – und damit die ungewöhnliche Rettung – nicht wahrgenommen. Vor den Augen des Retters wird in die Tiefe gesprungen.

(2) Werden Menschen aus ihren brennenden Häusern gerettet, rennen sie meistens nach der Notversorgung durch die Rettungskräfte wieder in ihr Haus hinein, als ob sie die lebensgefährliche Notsituation nicht erkannt hätten.

(3) Wenn Menschen bereits lichterloh in Flammen stehen, z. B. nach einer Explosion oder nachdem sie mit Benzin übergossen wurden, um sie anzuzünden, rennen sie um ihr Leben und der unmittelbaren Gefahr davon. Sie wollen dem Feuer an ihrem Körper davonlaufen und entfachen es dadurch (permanente Sauerstoffzufuhr) noch stärker. Sie wälzen sich nicht am Boden (Feuer ersticken), und sie springen auch nicht ins Wasser – was eigentlich in der Theorie das übliche und richtige Verhalten wäre. Vielmehr flüchten sie – vermeintlichen Schutz suchend – unter einen Baum oder in eine Hütte; und verbrennen dort hilflos. Es sei denn, ihre brennende Kleidung wird in den ersten zwanzig Sekunden gelöscht. In diesem Löschzeitraum gibt es keine schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden. Ab 30 Sekunden Brennzeit lässt sich das nicht mehr ohne weiteres sagen.

Der Brennende hat eine in diesem Moment typische Verhaltensweise gewählt, die in diesem Fall jedoch vollständig falsch ist. Die Praxis zeigt hier weiterhin, dass es Ihnen als potenzielle Rettungskraft fast nicht möglich sein wird, die „davonlaufenden Betroffenen“ einzufangen oder festzuhalten.

(4) Wird eine heftige Explosion gesehen, z. B. Ramstein, bleiben doch viele zuerst einmal stehen, um sich zu vergewissern, ob dies wirklich so ist, wie sie es gerade gesehen haben. „Ich traue meinen Augen nicht“, sagt der Volksmund. Eine typische Lähmung, aber auch gewisse Faszination lässt hier falsch reagieren. Manche bemühen sich sogar, nochmals genauer hinzuschauen, indem sie sich dem Gefahrenherd nähern. Vielen wird diese Neugierde zum gesundheitlichen Verhängnis.

(5) Panikartige Aktionen entstehen in Räumen ohne Fluchtmöglichkeiten. Als Beispiele seien genannt:

  • steckengebliebener Fahrstuhl,
  • ins Stocken geratene Fluchtbewegungen auf Treppen, in Büro- und Werkstätten, die mit Möbel oder Geräten zugestellt sind
  • gefangene Räumlichkeiten ohne Sichtverbindung nach außen.

Selbst in Drehtüren gibt es bereits unvorstellbare Schwierigkeiten, da sich diese bei starkem Andrang nicht mehr vernünftig weiterdrehen lassen.

(6) Nicht selten verhalten sich Fliehende bei lebensbedrohlicher Feuerentwicklung rücksichtslos – so wie sie es in anderen Situationen niemals machen würden. Schwächere werden dann zur Seite gedrängt oder umgerannt. Diese wiederum haben im Ernstfall die Schwierigkeit, wieder „auf die Beine zu kommen“; ihnen wird in der Regel nicht von anderen geholfen. Aber statt Hilfe von anderen, werden die Schwächeren meistens noch „überlaufen“. Solche scheinbar belanglosen Situationen führten z. B. nach einem Konzert in Kiew, in einer Diskothek in Chicago nach einer Schlägerei auf der Tanzfläche und während eines Fußballspiels im Brüsseler Heysel-Stadion jeweils zu einer großen Katastrophe mit einer Vielzahl von Toten. Auf die Frage an die Beteiligten, warum sie nicht geholfen haben, können sie keine Antwort geben und wundern sich selbst über ihr Verhalten.

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(7) Zu beobachten sind auch Reaktionen, deren Sinn nicht sofort eingesehen wird. Manche suchen die Gefahrenherde geradezu auf. Sie rennen z. B. einer Feuerwand entgegen, gehen in ein brennendes Kaufhaus (Beispiel: Kaufhausbrand in Brüssel Mai 1967 mit über 300 Toten).

Aber auch Einsatzkräfte in der unmittelbaren Gefahrenbekämpfung können Dinge übersehen oder falsch bewerten:

(1) Feuerwehrkräfte konzentrieren sich bei Rettungsaktionen immer auf die bedrohten Menschen und den Brandherd. Daher kann es vorkommen, dass explosionsgefährliche oder hochentzündliche Substanzen (z. B. Benzinkanister, Gasflaschen), die in dieser Situation eine bedrohliche Lebensgefahr auch für die Rettungskräfte darstellen, übersehen werden.

(2) Schwierigkeiten kann es mit der Raumorientierung dann geben, wenn in verqualmte Räume eingedrungen wird und bei mehreren Richtungsänderungen der Ausgang nicht mehr gefunden wird. So kann bereits eine Vierteldrehung in einer verrauchten Umgebung bereits zu einer absoluten Orientierungslosigkeit führen. Wäre der Raum z. B. nur dunkel und nicht verraucht, würde sich der Betroffene hier im allgemeinen sicherer bewegen. Der Faktor „Verrauchung“ stellt eine ungemeine Erschwernis dar, die von Betroffenen nur schwer handhabbar ist. Auswertungen von Bränden haben gezeigt, dass Betroffene durchschnittlich nur noch 10 m in verrauchten Bereichen laufen werden (Beispiel: Kapruner Kitzsteinhornbahn 2000 mit 155 Toten).

(3) Der Drehleitermaschinist bewältigt in der Regel mit seinem Bedienfeld alle drei Dimensionen der Drehleiter integriert und bei Übungen „blind“. So ist er in nur wenigen Sekunden z. B. in der vierten Etage. Fährt der Drehleitermaschinist mehrere anstrengende Einsätze, dann bewältigt er die vier Ebenen der Drehleiter nur noch hintereinander. Er benötigt sehr viel mehr Zeit – und kann hinterher auch nicht mehr sagen, warum das so war.

(4) Für Rettungskräfte besteht die Hauptaufgabe darin, sofort zu helfen. Diese Hilfs- und Rettungsaktion kann in einer terroristischen Lage lebensgefährlich sein. Durch Mehrfachzündungen sind taktisch-operativ die Rettungsmaßnahmen der
eintreffenden Kräfte in das Zerstörungskalkül eingeplant. So werden auch Flucht- und Rettungswege mit in die terroristische Lage eingebaut, dort z. B. eine zweite Bombe während der Räumungsmaßnahmen inmitten der Menschen gezündet.

(5) Im Einsatz gibt es eine typische Fehlerkette, die zu beachten ist. Sie beginnt mit falschen Griffen an einem Gerät, steigert sich in der Regel auf drei Fehlgriffe pro Minute und eskaliert dann zum „Schrotschussverhalten“. Der Volksmund spricht hier von Hektik. Die Ursache liegt darin, dass die Übersicht in der Notsituation verloren gegangen ist. Dadurch steigt die Griffzahl pro Zeiteinheit, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, noch einen Grifftreffer in dieser verfahrenen Situation anzubringen. Haben Sie selbst nicht auch schon in einfacheren Situationen beobachtet, wie kopflos man in Hektik reagieren kann?

(6) Wenn Kinder im Brandbereich sind, kann es zu Schwierigkeiten in der Aufgabenbewältigung kommen. Feuerwehrmänner, die selbst Kinder haben, sind davon stärker betroffen als kinderlose. Daher reagieren sie oftmals überstürzt. Ähnliches kann passieren, wenn Hilflose betroffen sind (z. B. alte Menschen oder Schwerbehinderte).

(7) Rettungskräfte sind nach einem Einsatz oftmals erschöpft. Das ist zu respektieren. Möglicherweise machen sich auch traumatische Beschwerden bemerkbar. Beispiel: Zugunglück von Eschede im Juni 1998 mit 101 Toten. Heute noch kämpfen Einsatzkräfte mit den traumatischen Erlebnissen von damals.

Krisenverhalten des Führungspersonals:

(1) In kritischen Lagen kommt es oftmals zu Fehlentscheidungen und Entscheidungsverzögerungen. Zu viele Eindrücke bei viel zu kurzen Entscheidungszeiträumen in einer unüblichen Notsituation bedingen dies.

(2) Meldungen werden falsch gelesen, und zwar weil die Sätze zu lang und die benutzten Begriffe neu sind. So wird z. B. Chlorethen als Chlorgas gelesen, weil Chlorgas bekannter ist als Chlorethen. Die Lage wird teilweise verkannt, eingeleitete Maßnahmen sind ggf. nicht richtig.

(3) Führungspersonal geht nicht selten mental „fremd“, d. h. manche Führungskräfte treten aus dem Lagegeschehen im Ernstfall aus. Sie leben nicht mehr in der Lage, sind abwesend oder beschäftigen sich mit anderen, unrelevanten Dingen. So wird in der Fachliteratur der Fall eines führenden Mitarbeiters der Betrieblichen Katastrophenorganisation eines Großunternehmens beschrieben, der während eines Großschadensereignisses anfängt, im Internet seinen Urlaub zu buchen.

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(4) Führungspersonal setzt sich je nach Belastungszunahme manchmal von der Lage ab. Es geht auf die Toilette oder ins Betriebsrestaurant und kommt nicht wieder.

(5) Mitarbeiter laufen unter dem Eindruck der Notsituation nicht zur zugewiesenen Sammelstelle, sondern setzen sich ins Auto und fahren „im Schock“ nach Hause. Bei der Aufarbeitung eines Brandfalls in einem deutschen Unternehmen wurde auffällig, dass nicht nur ein Drittel des Personals nicht an die zugewiesene Sammelstelle kam, ein Mitarbeiter fuhr unter dem Einfluss des Geschehens mit seinem Auto fast 200 km auf der Autobahn, bevor „er zu sich kam“. Auf die anschließend klärende Frage nach dem Warum, konnte der Mitarbeiter sich an nichts erinnern …

(6) Bemerkenswert ist, dass selbst bei chemischen Schadenslagen (z. B. Explosionsgefahr) oftmals zu spät geräumt wird. Man will es nicht glauben, dass z. B. eine chemische Wolke oder Emissionen ein Firmengebäude oder einen Stadtteil bedrohen können.

(7) Wenn im Ernstfall nichts mehr läuft, bilden sich im Lagezentrum oftmals „Partyeffekte“ aus, d. h. es entstehen Diskussionsgruppen, in denen nur noch diskutiert wird, während die Lage davonläuft. Entscheidungen werden nicht mehr bzw. nur noch unnötig verzögert getroffen.

(8) In kritischen Lagen gibt es Führungskräfte, die überall und nirgends sind. Dann bahnt sich das erwähnte Schrotschussverhalten an. Es besteht darin, dass z. B. der Einsatzleiter mit dem Argument an den PC geht, alles selber machen zu wollen.

(9) Führungskräfte reden immer mehr, wenn sie merken, dass ihnen die Lage davon läuft. In diesem Belastungsstadium hat zwar das vermehrte Reden keinen Sinn mehr, es wird aber als Schrotschusssprache benutzt, um vielleicht doch noch den einen oder anderen zu erreichen. Die Situation verfährt sich immer mehr, entscheidendes Führungspersonal ist kaum noch erkennbar.

(10) Chemie-Attentate und Brandanschläge werden im Führungsbereich oftmals verharmlost oder gar ignoriert. Diese Beispiele reichen aus, um auf das breite Spektrum möglichen Gefahrenverhaltens hinzuweisen.

Die Frage nach den Ursachen solchen Fehlverhaltens ist zu stellen.

3 Ursachen des Fehlverhaltens in Bedrohungslagen

Sogenannte „Psychozerebrale Prozesse“, die für das Überleben in unterschiedlichen Situationen zuständig sind, ähneln sich sehr. Das gilt vor allem dann, wenn sich der Überlebenskampf mit hohen Belastungen verbindet. Gesprochen wird in diesem Zusammenhang von einem dysfunktionalen Stressprofil. In ihm steckt nicht der angenehme, sondern der unangenehme Stress. Wenn in den folgenden Ausführungen von Stress gesprochen wird, dann ist immer der dysfunktionale gemeint. Er zeichnet sich dadurch aus, dass sich Fehler im Wahrnehmen, Denken und Handeln bemerkbar machen. Die Lage gerät außer Kontrolle – und lässt sich meistens nicht mehr einfangen.

Beginnt die Lage davonzulaufen, ist dies der Augenblick, in dem Einsatz- und Führungspersonal die Übersicht verlieren. Beteiligt daran ist der genannte Stress. Stress hat dabei zwei Ursachen, und zwar entweder Informationsüberlast oder Informationsentzug.Bei der Überlast kommt es zu einer Überforderung der akuten Informationsverarbeitung, beim Informationsentzug dagegen zu einem Informationsvakuum. Bei Überlast haben wir z. B. mehrere Gefahrenherde, die gleichzeitig zu bekämpfen sind. Bei Entzug wissen die Einsatzkräfte z. B. nicht, was brennt und ob Verschüttete nach einer Explosion noch unter den Trümmern liegen. Die Überlast-Entzugs-Relation in der Informationsverarbeitung bekommt noch eine weitere Stressursache, und zwar die Bewertung einer gefährlichen Situation. Wird eine Lage als bedrohlich eingestuft, z. B. „das schaffe ich nicht“, dann löst dies umgehend Stress aus. Wird die Lage dagegen als Herausforderung eingestuft, entsteht kein Stress.

Die gesamten Prozesse sind an die Informationsverarbeitung der Einsatzkräfte gebunden. Diese ist aber limitiert. So werden im Arbeitsspeicher des Gehirns visuell drei bis fünf Objekte pro Sekunde aufgenommen, auditiv und taktil nur drei. Erinnert werden auch nur drei Sachverhalte und ausgeführt werden können gemäß dieser Gehirnlogik auch nur drei Griffe und drei Wörter in der Sekunde.

Die Verknüpfungsmenge liegt ebenfalls bei drei Verknüpfungen in der Sekunde. Wesentlich ist, dass die angekommene und erinnerte Informationsmenge etwa fünf bis sechs Sekunden gegenwärtig gehalten werden kann, um taktische Maßnahmen oder Rettungsaktionen in Gang zu bringen. Dieses Zeitfenster heißt Gegenwartsdauer.
Das Gesamtvolumen in unserem Arbeitspeicher beträgt nur 15 Informationseinheiten. Dieses Gesamtvolumen wird Informationshaushalt
genannt.

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Ermüdung, Hunger und Durst, aber auch akute Einsatzüberforderungen tragen dazu bei, dass sich der Informationshaushalt reduziert. Stress entsteht, weil die Lage nicht mehr übersehen wird. Der Informationshaushalt kann bei hohen Stresslagen gegen Null gehen. Panik ist im Verzug. Zuvor ist die Aufmerksamkeit erheblich eingeschränkt. Hier liegen die Gründe, weshalb plötzlich einiges übersehen und überhört wird. Das eingangs erwähnte Gefahrenverhalten lässt sich damit größtenteils erklären, wenn auch nicht akzeptieren.
Die Gegenwartsdauer ist außerdem eine grundlegende Sicherheits- und Überlebensgröße in unserem Gehirn. Bei ihrer vollständigen Funktionsgüte können wir z. B. 15 Wörter des Sprechfunks ohne weiteres behalten, um ihn in die laufende Aktion einzuordnen.

Was geschieht aber, wenn sich die Gegenwartsdauer aufgrund von Hochstresslagen reduziert? Je weiter sie zurückgeht, umso weniger Wörter können noch verstanden werden. So gibt es Gefahrensituationen, in denen bei einer Gegenwartsdauer von einer Sekunde nur noch zwei bis drei Wörter aufgenommen werden können. Dies bedeutet, dass die Sätze im Sprechfunk diesen Zeitbereich nicht überschreiten dürfen. Die Satzlänge im Sprechfunk muss sich immer dem akuten Stresszustand der Einsatzkräfte anpassen. Signal- und Codewörter können den Sprechfunk in einer kritischen Lage daher entlasten. Sie sind aber vorher abzusprechen. Solche Kommunikationseinschränkungen gelten auch für die Anwohner / Bevölkerung. Sie ist für solche Einsätze nicht ausgebildet. Daher sind hier besondere Sprachregelungen, z. B. bei Räumungen und Evakuierungen vorzunehmen.

4 Empfehlungen für die Ausbildung

Wenn die Ursachen eines Fehlverhaltens bekannt sind, ist die Ausbildung darauf auszurichten, diese Ursachen aktiv zu reduzieren oder zu beseitigen. Dazu können folgende Empfehlungen aus der Praxis beitragen:

1. Einsatz- und Führungspersonal ist stressresistent auszubilden, damit in belastenden Lagen keine wesentlichen Einbrüche der Informationsverarbeitung auftreten.

2. Je intensiver taktische Maßnahmen, Einsatzfertigkeiten und das instrumentelle Führungshandwerk gedrillt worden sind, umso stressstabiler ist das Verhalten.

3. Für das Einsatztraining des Personals sollte viel Zeit zur Verfügung gestellt werden. Planübungen (z. B. für Räumungen aufgrund eines Brandes oder einer Bombendrohung) sollten mit den Mitarbeitern und Rettungskräften eines Unternehmens gemeinsam durchgeführt werden. Dafür muss das Unternehmen aber über ein betriebsspezifisches, an die typischen Gefahren angepasstes Notfallkonzept verfügen, das mit den externen Rettungskräften abzugleichen ist.

4. Sprechfunk ist für Notlagen speziell auszubilden und fortwährend zu üben. Hochstresslagen verlangen kurze Sätze in der Sprachkommunikation.

5. Die Ausbildung sollte in ihren Strategien auf Bedrohungsszenarien der Zukunft angepasst und ausgerichtet sein. Während bisher Personenschäden bei solchen Szenarien ausgeschlossen werden konnten (Ziel war das Hervorrufen von hohen Sachschäden), ist es zukünftig wiederholt erklärtes Ziel, genau diesen Personenschäden zu erzeugen.

5 Fragenkatalog

Sind in Ihrem Unternehmen folgende Fragen beantwortet ?

  • Ist den Vorgesetzten die Thematik „Notfallmaßnahmen“ ausreichend geläufig? Sind hieraus Maßnahmen für das Unternehmen abgeleitet ?
  • Ist jedem Mitarbeiter das Verhalten bei Erster Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung bekannt?
  • Existiert in Ihrem Unternehmen ein Evakuierungskonzept und eine Betriebliche Katastrophenorganisation?
  • Sind entsprechende Verantwortungen mit Befugnissen genau benannt und bekannt?
  • Werden Evakuierungsmaßnahmen in regelmäßigen Zeitabständen zusammen mit den Rettungskräften geübt?
  • Ist Einsatz- und Führungspersonal stressresistent ausgebildet?
  • Sind in Ihrem Unternehmen bereits Vorträge zum Thema „Stressverhalten im Notfall“ durchgeführt worden (z. B. durch den Betriebsarzt)?
  • Sind Meldeketten für Krisenfälle beschrieben?
  • Steht Sprechfunk zur Verfügung?
  • Sind entsprechende Meldungen bei Krisen kurz, knapp und eindeutig?
  • Existieren Signal- und Codewörter beim Sprechfunk in einer kritischen Lage?

 

Autor:

Dipl.-Ing. Jens-Christian Voss, Jahrgang 1965, ist Elektroingenieur und Fachkraft für Arbeitssicherheit seit 27 Jahren. Er hat ein Ingenieurbüro in Friedberg (Bayern) und macht Gutachten, Stellungnahmen und Schulungen weltweit. Seit ist Voss Referent im Haus der Technik (HDT) für Themen der Arbeitssicherheit, des Brand- und Explosionsschutzes. Seit Dezember 1998 leitet er für das HDT unter anderem die „Ausbildung zum Brandschutzbeauftragten“ und die „Weiterbildung von Brandschutzbeauftragten“. Daneben moderiert er seit vielen Jahren auch die „Essener Brandschutztage“.